Münchner Filmzentrum
In memoriam

Hans Schifferle war ein wunderbarer Filmkritiker – und unter seinen deutschsprachi-
gen KollegInnen sicherlich einer der Originellsten. In München waren vor allem das
Werkstattkino und das Filmmuseum zentrale Orte seiner Filmleidenschaft, die hoch-
gradig ansteckend war. Unter anderem inspiriert von den Schriften der legendären
Frieda Grafe schrieb er – wie diese – lange für die „Süddeutsche Zeitung“, aber
auch für Medien wie „epd Film“ oder die Fan- und Fachzeitschrift „Steadycam“
sowie Beiträge für Bücher und Kataloge.

Dabei brachte er seiner Leserschaft besonders gern die etwas weniger bekannten
Filmgenres und FilmemacherInnen nahe. Mit spannenden Gedankenspielen und
einem besonderen Blick für Details machte er auf die unterschiedlichsten Filmphä-
nomene neugierig, von denen sich viele abseits des Mainstream-Kinos abspielten.
Dabei leuchtete er oft auch die subversiven Potenziale der Filmkunst genüsslich aus.

Hans Schifferle war über viele Jahre regelmäßiger Gast im Münchner Filmmuseum
und verfasste immer wieder Texte für dessen Programmhefte. Im Sonderheft zum
50-jährigen Jubiläum des Filmmuseums im Jahre 2013 hat er seinen Eintritt in diese
einzigartige Münchner Sphäre der Filmkunst, wo er zunächst als Kartenabreisser
tätig war, anschaulich beschrieben:

„Schnell wurde mir klar, dass es sich beim Filmmuseum, damals unter der Leitung
von Enno Patalas, der wie ein Archetyp eines Kinemathek-Direktors, ein wenig Henri
Langlois, ein wenig Dr. Caligari, durch den Saal schwebte, um das großartige Projekt
eines »Living Cinemas« handelte. Dieses lebendige Museum wurde mir zur cinephilen
Universität, zum Workshop eines filmkritischen Denkens, zum Sehnsuchtsort, zum
Ursprungsort von manchmal bizarren Bekanntschaften und lange währenden
Freundschaften.“ [ Schifferle, ebd., S. 46 ]

Den vollständigen Text können Sie hier nachlesen (PDF):

LIVING CINEMA – von Hans Schifferle

…………………………………………………………………………………………………………………………………………….


[  Film-Abend in memoriam Hans Schifferle am 31.3.2022 | 19:00 ]

Ein Jahr nach seinem viel zu frühen Tod ehrte das Filmmuseum den leiden-
schaftlichen Cinéphilen Hans Schifferle mit einem Open-Scene-Abend,
indem es einen seiner deutschen Lieblingsfilme zeigte:

Rosen blühen auf dem Heidegrab | BRD 1952 | 90 min
Regie + Buch: Hans H. König | Kamera: Heinz Schnackertz, Bertl Höcht
Musik: Werner Bochmann | DarstellerInnen: Ruth Niehaus, Armin Dahlen,
Hermann Schomberg, Konrad Mayerhoff, Hilde Körber

„Der lyrisch-dramatische Heidefilm von Hans H. König, einem solitären Filme-
macher der 1950er, stellt so etwas wie einen Heimat-Noir dar, in dem die Heimat
zur Landschaft von Gewalt, Passion, schrecklicher Vergangenheit und Todessehn-
sucht wird. Um dieses fantastische Moor-Melo hat sich ausgehend von Ulrich
Kurowskis stetigen Hinweisen seit den späten 1970ern ein kleiner Kult gebildet.“
[ Hans Schifferle im PH des FMM Nr. 43, S. 29 ]

…………………………………………………………………………………………………………………………………………….


[  MFZ e.V. stiftet Sitz-Plakette für Hans Schifferle im Filmmuseum ]

Im April 2021 beschloss das Münchner Filmzentrum, den einzigartigen
Filmkritiker und passionierten Filmkenner Hans Schifferle mit einer Sitz-
plakette im Kino des Filmmuseums zu ehren, wo er seit den 1980er Jahren
zu den treusten Kinobesuchern gehörte und dem er zeitlebens eng ver-
bunden war. Das Namensschild befindet sich in Reihe 2 / Sitz 7.

…………………………………………………………………………………………………………………………………………….

 
 
Nachruf von Claudius Seidl
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………….

 

[ Text & Graphik: Idún Zillmann | Photo: privat ]