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Neue Veranstaltungen der OPEN SCENE erfahren sie hier!
Demnächst siehe unter: ZUSCHAUERKINO -
Retrospektive
Robert Frank
13. – 28. September 2024Die erste Retrospektive im Münchner Filmmuseum
Robert Franks Sprache sind die Bilder. Er vermeidet jedes überflüssige Wort, jede Wiederholung. Ihm geht es nicht um das geplante, das sofort lesbare Bild, sondern um genauen Blick, schnellen Zugriff und manch-mal auch um Zufälligkeiten.
Als staatenloser Sohn eines deutsch-jüdischen Kaufmanns bekommt er 1945 die Schweizer Staatsbürgerschaft. Er bricht die Fotografenlehre in Zürich ab und arbeitet als Fotoreporter für Lokalzeitungen. Zwei Jahre später wandert er in die USA aus und bewirbt sich für ein Stipendium. Er will das Land so zeigen, „dass das Sichtbare keine Erklärung braucht.“ Ende der 50er Jahre erscheint THE AMERICANS. Ein neuer Blick, eine neue Sprache der Bilder.
Robert Frank hält sich nicht an die Regeln. Nicht als Fotograf und nicht als Filmemacher. PULL MY DAISY, sein erster Film als Regisseur und Kameramann, wird zum Bild der Beat Generation. Es folgen mehr als dreißig Filme, darunter ein langer Film mit den Rolling Stones (von diesen in den Giftschrank verbannt), ein Umzug von New York nach Kanada und wieder geht es um Bilder: Er kratzt Worte in die Negative, schreibt kurze Sätze an den Bildrand und formt eine neue Sprache: Aus zeitgebundenen Einzelbildern werden Bilder über die Zeit. Und er selbst? Der berühmte Robert Frank? Er steht auf, geht aus dem Bild und sagt: “I’d like to walk out of the fucking frame…”
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Streetlife Festival am 5./6. Mai 2018
Zum ersten Mal nahm das Münchner Filmzentrum e.V. (MFZ) - der Freundeskreis des Filmmuseum München - mit einem Stand auf der Ludwigstraße an einem Streetlife Festival teil. Mit einer Vorschau auf das Programm (Plakatständer), Beispielen der DVD-Edition des Filmmuseums München und ausgelegten Publikationen des MFZ und Beamerpräsentation wurde den fragenden Standbesuchern das Kommunale Kino am St.Jakob-Platz im Zentrum Münchens nahegebracht. Vergrößerte Fotoansichten sollten dabei zur Orientierung helfen. Es kam zu einem regen Austausch mit den Besuchern. Wir werden den Auftritt 2019 sicher wiederholen und unsere Werbung fortsetzen für eines der am schönsten gelegenen Kinos Münchens. Wir garantieren ein vielseitiges Programm zu niedrigen Eintrittspreisen und einen gelungenen Kinoabend !
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Open Scene DAS SCHLANGENEI von Ingmar Bergman (1977)
mit einer Einführung von Brigitte Bruns
„Einen „Aufbruch“ nach dem „Zusammenbruch“ nannte der schwedische Regisseur Ingmar Bergman sein neun Jahre dauerndes Münchner Theaterexil. Es lag unter dem Schatten der Flucht aus Schweden nach einer Anklage wegen angeblicher Steuerhinterziehung. Parallel zu der Theateradaption von Anne Lenk für das Münchner Cuvilliés-Theater kann nun im Filmmuseum München auch die filmische Vorlage, eine gut restaurierte digitale Fassung von Bergmans Film, einer neuen Betrachtung unterzogen werden, vierzig Jahre nach dessen Entstehung, kurz vor den Feiern zum 100. Geburtstag des Regisseurs im nächsten Jahr. Sein in München gedrehter düsterer Spielfilm DAS SCHLANGENEI, an dessen Drehbuch er bereits in Schweden gearbeitet hatte, wurde danach selten gezeigt. Von der Kritik wurde der Film seinerzeit verrissen. Mit prominenter internationaler Besetzung in Geiselgasteig gedreht, verlegt der Film sein fiktives Geschehen um den in Berlin gestrandeten jüdischen Zirkusartisten Abel Rosenberg aus Philadelphia in die Zeit vor dem gescheiterten Hitlerputsch von 1923. Er zeigt eine durch den ersten Weltkrieg, Depression und Inflation aus den Fugen geratene Welt, eine durch Ängste, Verbrechen und Hoffnungslosigkeit korrumpierte Gesellschaft und eine sich bereits abzeichnende verhängnisvolle Entwicklung. Der Filmtitel „Das Schlangenei“ ist William Shakespeares Drama „Julius Cäsar“ entlehnt, da dieses „ausgebrütet, verderblich würde wie seine ganze Art“. Brigitte Bruns (MFZ) hält eine Einführung zur Entstehungsgeschichte des Films.
Das Schlangenei (The Serpent’s Egg) – Deutschland / USA 1977 – Regie + Buch: Ingmar Bergman – Kamera: Sven Nykvist – Musik: Rolf Alexander Wilhelm – Darsteller: David Carradine, Liv Ullmann, Gert Fröbe, Heinz Bennent, Edith Heerdegen – 119 min – engl. – o.UT.
Eine Kartenreservierung ist unter Tel. 089- 233 96450 möglich.
Der Eintritt kostet € 4 / € 3 für Mitglieder des Fördervereins MFZ -
Open Scene 28.1.2016: „Schachnovelle“ mit Curd Jürgens
Am 28.01.2016 um 19.00 Uhr zeigen wir gemeinsam mit dem Münchner Filmmuseum den Film „Schachnovelle“ (1960) von Gerd Oswald, nach der Novelle von Stefan Zweig. Die Autorin Dr. Heike Specht hält zuvor eine Einführung.
SCHACHNOVELLE
BRD 1960 – Regie: Gerd Oswald – Buch: Harold Medford, Gerd Oswald, nach der Novelle von Stefan Zweig – Darsteller: Curd Jürgens, Claire Bloom, Hansjörg Felmy, Mario Adorf, Dietmar Schönherr – 103 minDer österreichische Schriftsteller Stefan Zweig verdichtet in seiner Novelle von1942 die Erfahrung des Exils nach 1938, aus dem er nicht mehr zurückkehrte. Curd Jürgens – der am 13. Dezember 1915 in München-Solln geboren wurde – spielt die Rolle des Dr. Werner von Basil, eines Wiener Juristen, der von der Gestapo verhaftet wird. In seiner Einzelhaft, in der das Geheimnis versteckter Kunstschätze von ihm erpresst werden soll, beschäftigt er sich zur inneren Rettung mit einem gestohlenen Schachlehrbuch. Von Basil wird zu einem besessenen Schachspieler, der dem Spiel geradezu obsessiv verfällt. Wieder in Freiheit, auf dem Überseedampfer nach Amerika, ist sein Spielgegner der Schachweltgroßmeister Mirko Centrowic, gespielt von Mario Adorf.
Die Züricher Autorin und Lektorin Heike Specht, die zum 100. Geburtstag von Curd Jürgens die ausführliche Biografie „Curd Jürgens – General und Gentleman“ verfasst hat, erschienen im Aufbau Verlag, wird zur Entstehung des Films und zum Medienbild des einstigen deutschen Weltstars eine Einführung im historischen Kontext geben.
Eine Kartenreservierung ist unter Tel. 089 – 233 96450 möglich.
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Neue Filmreihe: François Truffaut
Vom 7. Januar bis zum 28. Februar 2016 zeigt das Münchner Filmmuseum die Reihe "Die Schule des Lebens – François Truffaut".
François Truffaut (rechts) mit Jean-Pierre Leaud und Jacqueline Bisset bei den Dreharbeiten zu „La nuit américaine“ (Die amerikanische Nacht)
Der Schluss seines Debütfilms bereitete ihm Kopfzerbrechen. In welches Schicksal sollte er den kleinen Antoine Doinel entlassen, nachdem er aus dem Erziehungsheim geflohen war? Ein optimistisches Ende wäre unehrlich gewesen, aber ein niederschmetterndes hätte ebenso wenig gestimmt. François Truffaut (1932–1984) entschied, dass er keine Drehbuch-, sondern eine plastische, filmische Lösung finden musste. So läuft Jean-Pierre Léaud nun in der letzten Einstel-lung von SIE KÜSSTEN UND SIE SCHLUGEN IHN erwartungsvoll aufs Meer zu, bis das Bild einfriert und der Gesichtsausdruck des Jungen das Publikum mit ebenso viel Zweifel wie Zuversicht zurücklässt.
Das Drehbuch, in dem Truffaut von den Verletzungen erzählt, die ihm selbst in seiner Kindheit zugefügt wurden, endete noch ganz anders: mit einem Blick auf Antoine und seinen Freund René, die durch die Straßen von Paris schlendern; eine Erzählstimme aus dem Off schilderte ihren weiteren Lebensweg. Um jene allzu gefällige Poesie zu vermeiden, mit der Kinder im Kino sonst gezeigt werden, hatte Truffaut das Buch humorvoll angelegt. Bei den Dreharbeiten schlichen sich dann Ernst und Gravität ein – sein väterlicher Mentor, der Kritiker André Bazin, war in der Nacht des ersten Drehtages gestorben –; er gab sich alle Mühe, seinem jungen Hauptdarsteller das Lächeln auszutreiben.
Ein großzügig Liebender
Als Truffauts Film 1959 in Cannes Premiere hatte, besiegelte er den Siegeszug der Nouvelle Vague. Eine ausgelassene, unkonventionelle und zitierfreudige Art des Filmemachens brach sich Bahn. Wie die meisten Regisseure der Bewegung posierte er auf Fotos gern mit der Kamera, hatte tatsächlich aber ein eher platonisches Verhältnis zur Technik: ein stolzer Autodidakt, der überzeugt war, als aufmerksamer Zuschauer mehr gelernt zu haben, als er es auf dem damals traditionellen Weg über die Regieassistenz getan hätte.
Truffaut hatte als ehrgeiziger, enthusiastischer und polemischer Filmkritiker begonnen, der in seinen Rezensionen für die Cahiers du cinéma, Arts und andere Publikationen insgeheim schon die Filme vorausahnte, die er gern selber drehen wollte. Eine Retrospektive seines Werks wäre nicht vollständig ohne einen Blick in das filmische Universum seiner Idole Jacques Becker, Alfred Hitchcock, Ernst Lubitsch, Max Ophüls, Jean Renoir, Roberto Rossellini und Jean Vigo. Seine Liebe zum Kino war nicht dogmatisch: Claude Sautet, der von seinen Nachfolgern in der Cahiers-Redaktion sträflich unterschätzt wurde, pries er als den französischsten aller Regisseure.
François Truffaut wurde der erfolgreichste unter den Protagonisten der Nouvelle Vague. Seine persönlichen, intimen Filme sind die zugänglichsten und lebendigsten der Bewegung. Er ist vielleicht der einzige Regisseur, dessen Filme schon einem Kind einen Eindruck davon vermitteln, was Autorenschaft im Kino ist. Seine Erzählhaltung, die Charaktere niemals mit Herablassung zu zeichnen, brachte ihm Bewunderer und Nachahmer in aller Welt ein. Seine Lust am Stilbruch prägte das New Hollywood nachhaltig; sein Einfluss zeigt sich im Werk von Arthur Penn und Paul Mazursky. So unterschiedliche Regisseure wie Leos Carax, Arnaud Desplechin, Cédric Klapisch und Tsai Ming-liang beziehen sich auf ihn. Quentin Tarantino zitiert ihn in KILL BILL. Und noch in Noah Baumbachs FRANCES HA zeigen sich Spuren seines Stils und seiner Themen.
Weiter (pdf) im Text von Gerhard Midding und zum Programm der Filmreihe vom 7. Januar bis 28. Februar 2016.
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Open Scene 24. 9. 2015: „Vor der Revolution“ von Bernardo Bertolucci
In der nächsten „Open Scene“ am Donnerstag, dem 24.09. 2015, um 19.00 Uhr zeigen wir gemeinsam mit dem Münchner Filmzentrum e.V. (MFZ) den italienischen Spielfilm VOR DER REVOLUTION (1964) von Bernardo Bertolucci, in dem er kunstvoll die politische und gesellschaftliche Stimmung Italiens eingefangen hat. Jürgen Wolter hält eine Einführung.
PRIMA DELLA RIVOLUZIONE (VOR DER REVOLUTION)
Italien 1964 – Regie: Bernardo Bertolucci – Buch: Bernardo Bertolucci, Gianni Amico – Kamera: Aldo Scavarda – Musik: Ennio Morricone – Darsteller: Francesco Barilli, Adriana Asti, Christina Pariset, Morando Morandini – 115 Minuten, OF mit englischen Untertiteln.Der junge Fabrizio aus dem wohlhabenden Bürgertum von Parma – trotz seiner Herkunft ein Marxist – und seine Tante Gina beginnen ein verbotenes Verhältnis miteinander. Sie bewegen sich durch die Straßen von Parma und die umgebende Landschaft, reden über politische Theorien und schwelgen in Melancholie. Ein wichtiger Gesprächspartner der beiden ist ein kommunistischer Grundschullehrer. Fabrizio steht in seinem Leben zwischen seinen politischen Idealen und den bürgerlichen Konventionen, mit denen er fest verwurzelt ist. Mit einer wilden Flut von Bildern und Tönen beschreibt Bertolucci Szenen aus verschiedenen sozialen Milieus: ein Abend in der Oper, der Rausch einer jungen Liebe, ein verzweifelter Aristokrat, dessen Welt durch den Siegeszug des Kapitalismus im Untergehen begriffen ist. Bei seinem zweiten Spielfilm, der in in seiner Heimatstadt Parma angesiedelt ist, hat der erst 22-jährige Bertolucci zum Teil autobiografische Themen verarbeitet. Stilistisch orientierte er sich dabei an seinen Vorbildern Michelangelo Antonioni und Jean-Luc Godard.
„Selten ist ein Talent mit solcher Leuchtkraft in die Filmszene eingebrochen, wie Bertolucci es mit diesem Film tat. Eine Flut poetischer Bilder, Bilderfolgen und Töne, stellt PRIMA DELLA RIVOLUZIONE eine unverhüllt leidenschaftliche, höchst persönliche Aussage über die politische und sexuelle Volljährigkeit dar. … Ein tiefes Gefühl für ein sinnliches, sinnenschweres, bilderreiches Kino der radikalen Form, Textur, Farbe, Komposition hat sein Gegengewicht in einer starken Empfänglichkeit für soziale Fragen, so auch für das Dilemma des radikalen Bürgersohns in einer Periode des niedergehenden Kapitalismus.“ (Amos Vogel)
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OPEN SCENE 4. 6. 2015: „HEAVEN“ von Tom Tykwer
Liebe Freunde des Filmmuseums,
in der nächsten „Open Scene“ am Donnerstag, 4. Juni 2015 um 19.00 Uhr zeigt das Filmmuseum gemeinsam mit dem Münchner Filmzentrum e.V. (MFZ) den Spielfilm HEAVEN (2002) von Tom Tykwer – passend zum katholischen Hochfest Fronleichnam an diesem Tag. Christopher Lagerholm, Absolvent der Medienakademie an den Bavaria Filmstudios, hält zuvor eine Einführung und analysiert den Film anschließend aus theologischer Sicht unter dem Aspekt "Religion und Sinn-Bilder".HEAVEN
D/USA 2002 – Regie: Tom Tykwer – Buch: Krzysztof Kieślowski – Kamera: Frank Griebe – Musik: Arvo Pärt, Marius Ruhland – Darsteller: Cate Blanchett, Giovanni Ribisi, Remo Girone, Stefania Rocca – 97 min, Originalfassung mit deutschen UntertitelnIn seiner ersten großen internationalen Produktion setzte Tom Tykwer ein nachgelassenes Drehbuch des polnischen Regisseurs Krzysztof Kieślowski um und erzählt die Geschichte der britischen Lehrerin Philippa, die ein Attentat gegen einen Geschäftsmann verüben will, der den Drogenhandel Turins kontrolliert. Dabei kommen ungewollt vier unschuldige Menschen ums Leben. Während des Verhörs im Polizeipräsidium lernt sie einen jungen Carabiniere kennen, der ihre Geschichte glaubt, sich in sie verliebt und zur Flucht verhilft. Die darauffolgende Reise nach Montepulciano wird für die beiden Protagonisten zu einem kontemplativen Exerzitium. HEAVEN fragt auf vielfältige und vielgestaltige Weise nach individueller und kollektiver Schuld, nach Rechtfertigung und Rechtfertigungsversuchen – Sünde und Vergebung können auch im Kino eine nicht unzeitgemäße Rolle spielen.
Geplant hatte Kieślowski eine weitere Filmtrilogie mit den Teilen HEAVEN, HELL und PURGATORY, von der er aber nur das Drehbuch zum ersten Teil vollenden konnte. „Ich bin in das Drehbuch eingetaucht, als sei es mein eigenes. Ich hatte ganz stark das Gefühl, dass es auch an Themen anknüpft, die ich in meinen bisherigen Filmen aufgegriffen hatte, allerdings auf eine mir bislang unbekannte Weise. Diese Herausforderung wollte ich unbedingt annehmen.“ (Tom Tykwer)Eine Kartenreservierung ist unter Tel. 089- 233 96450 möglich.
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Neue Filmreihe:
DEFA: Die besten Jahre„Das Kaninchen bin ich“ (1965/1990) von Kurt Maetzig
Die Babelsberger DEFA zwischen 1960 und 1970Die 1960er-Jahre waren das spannendste Jahrzehnt der DEFA. Eine junge Generation von Filmemachern wagte sich an schwierige gesellschaftliche Fragen und suchte zugleich nach neuen formalen Mitteln. Sie wollte die aus Ufa-Zeiten ererbte ideelle und ästhetische Behäbigkeit der Babelsberger Filmfabrik abschütteln und wandte sich im selben Atemzug von dem in Köpfen und Herzen durchaus präsenten Stalinismus ab. Im Schatten der Mauer, mit deren Bau im August 1961 begonnen worden war und in deren Folge die Hoffnung aufkeimte, unabhängig von den Einflüssen des Westens freier und offener über eigene Probleme reflektieren zu können, wurden auch die Filme selbstbewusster. Man nahm regen Anteil an der wachsenden Souveränität der jungen polnischen, tschechischen, ungarischen, sowjetischen Regisseure und wollte dem nicht nachstehen. Was die französische nouvelle vague, das britische free cinema, was Antonioni, Pasolini und Fellini in Italien leisteten, wurde an der Babelsberger Filmhochschule und in den DEFA-Studios enthusiastisch debattiert. In Künstlerklubs in Ost-Berlin waren sowohl der erfahrene Billy Wilder als auch der junge, vielversprechende Andrej Tarkovskij zu Gast. Joris Ivens und Chris Marker ermunterten die Teilnehmer des Leipziger Dokumentarfilmfestivals, sich konsequenter und mutiger als bisher der Wirklichkeit zu öffnen. Tatsächlich brach sich, es klingt paradox, in dem nach außen hin streng abgeriegelten Land eine neue, mit internationalen Entwicklungen vielfältig verbundene filmische Modernität Bahn.
Es ist hier nicht der Raum, komplex auf Ursachen und Wirkungen einzugehen, nur so viel: Das alles hatte natürlich mit Politik zu tun. Innerhalb der Führung der DDR hatte sich neben den Altkadern, die noch jede Entwicklung kritisch beäugten, eine junge Funktionärselite etabliert, der die Luft im Lande zu stickig geworden war und die für frischen Wind sorgen wollte: ökonomisch,
indem den Betrieben mehr Raum zu Eigenverantwortlichkeit eingeräumt werden sollte (dieser Prozess nannte sich »Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung«); politisch, indem zum Beispiel der jungen Generation ein sehr viel größeres Selbstbestimmungsrecht als zuvor eingeräumt wurde (gestützt durch ein »Jugendkommuniqué«) oder indem die alte, stalinistische Gerichtsbarkeit durch einen neuen Rechtspflegebeschluss abgelöst wurde. Die Kunst wurde zur Triebkraft, Zeugin und kritischen Wegbegleiterin dieser Prozesse; so viele erregende Bücher, Theaterstücke, Gedichte oder Filme wie in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre hatte es im ganzen Jahrzehnt zuvor nicht gegeben.
Freilich streckten die politischen Hardliner nicht ihre Waffen. Die Staatspartei SED (ihre vier Blockparteien CDU, LDPD, NDPD und Bauernpartei können wir hier vernachlässigen) zerfiel immer deutlicher in zwei Lager: das der vergleichsweise liberalen Reformer, an deren Spitze sich, von Moskau und dem dortigen Parteiführer Nikita Chruschtschow bekräftigt, Walter Ulbricht höchstselbst gestellt hatte; und das der Traditionalisten, die auf der »reinen Lehre« beharrten und jeden Versuch der gesellschaftlichen Modernisierung als »Revisionismus« denunzierten (Beispiele: Paul Verner, Erich Honecker oder der Leipziger SED-Chef Paul Fröhlich). Keine Frage, dass der gesamte Reformprozess der frühen 1960er-Jahre von herben Rückschlägen begleitet war, ähnlich wie in der Sowjetunion. Und als dort, in Moskau, die Hardliner wieder die Oberhand gewannen und Leonid Breshnew zum neuen Parteichef berufen wurde, musste dies auch gravierende Auswirkungen auf die Politik – und besonders die Kulturpolitik – der DDR haben.
Weiter im Text von Ralf Schenk und zum Programm der Filmreihe (11. März bis 17. Juni 2015)
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NEUE FILMREIHE: Eine Hommage an die KostümbildnerInnen
Wir kommunizieren mit unserer Kleidung. Was wir tragen, zeigt, woher wir kommen, welcher Klasse oder Gruppe wir angehören und welche sexuelle Orientierung wir haben. Auch im Film lebt ein Charakter durch sein Kostüm. Kostüme erfüllen eine narrative Funktion, sie sind Teil des storytelling – zum Beispiel, wenn in Nahaufnahme Accessoires wie Knöpfe, Ohrringe oder Halsketten erscheinen. Die Kleidung im Film zeigt nicht unmittelbar, was passiert, aber wer da ist – sie vermittelt den emotionalen, physischen oder psychosozialen Zustand eines Charakters. Kostüme spiegeln im besten Fall die persönliche Entwicklung einer Person wider, exemplifizieren Gegensätze und Gemeinsamkeiten von Charakteren und machen sie visuell nachvollziehbar. Das Kinopublikum dekodiert die Informationen, die über die Kleidung transportiert werden, binnen Sekundenbruchteilen – und im besten Falle unbewusst. Kostümdesigner sind daher mit Dolmetschern vergleichbar, die die richtigen Worte zur Übersetzung finden müssen. Jonas Scheler: Wenn Kleidung flüstert. Die Zeit
Weiter im Text und zum Programm der Filmreihe
(12. November 2014 bis 4. März 2015)